Erinnerungen an Engagierte
In der Dorfkirche Dobbrikow gedenkt eine Pfarrer-Galerie der Seelsorger und der Ereignisse ihrer Zeit
von Gertraud Behrendt
Aus Feldsteinen ist die Kirche laut „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“ vermutlich im 15. Jahrhundert erbaut worden.
Auf dem Infoblatt des verstorbenen Luckenwalders Günter Noeske, der Dokumente des Pfarrers Bartusch gelesen hatte, steht, dass von 1184 bis 1194 ein burgähnliches Gebäude mit Kapelle errichtet worden war. Die alleinige kirchliche Nutzung begann, „als die Herrschaft der meißnerischen Wettiner, in deren Dienste der Ritter Ludolf von Stangenhagen und Heinrich von Trebbin standen, im Ergebnis blutiger Kämpfe erlosch.“ Experten zweifeln die frühe Bauzeit ohne archäologische Grabung aber an.
Vielleicht ergänzen sich die Angaben aber doch. So ist das Stadtmuseum Berlin im Besitz mehrerer Gegenstände aus der Dobbrikower Kirche. Das älteste ist ein Weihrauchfass vom Anfang des 13. Jahrhunderts aus Zinn, zusammengefügt in zwei Halbschalen, bekrönt mit einem Kreuz. Seit der Übernahme lutherischer Pastoren 1547 wurde es nicht mehr benötigt. Ein katholischer Vorgänger, Bartholomäus Alberti (1526-1543), hat den Ort 1550 verlassen. Wie mag ihm zumute gewesen sein? Im Berliner Museum stehen noch zwei Kelche, eine Patene und ein Flügelaltar, alle um 1440 entstanden. Der rechte Altarflügel mit einer Heiligen-Skulptur ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Als er dem Museum 1896 verkauft wurde, stand in Dobbrikow längst ein neuer Altar.
Predigen konnten die Pfarrer seit 1679 von der prächtigen Kanzel. Die Jahreszahl steht auf dem mit einer Fruchtrankeverzierten Pfeiler, der Schalldeckel darüber ist an der Wand verankert. Der Korb ist mit den Evangelisten bemalt, der Aufgang mit Wappen - die der Stifter der Kanzel, das Brösegksche und das Bredowsche. Zwischen Deckel und Kanzelrand ist eine kleine Wandblende angebracht. Detlef Bolien vom Gemeindekirchenrat kann bei Führungen raten lassen, was es damit auf sich hat: "Pfarrer Heinrich Vogel war bekannt für gestenreiche Reden. Bei einem Weihnachtsgottesdienst breitete er die Arme so schwungvoll aus, dass er die Lampe an der Wand herunterriss." Während des Gottesdienstes hätten sich die Hörer noch beherrschen können, danach hätten sie draußen die Szene vergnügt kommentiert.
Berühmter wurde Vogel, weil er sich nicht nur nicht hat von den Nationalsozialisten vereinnahmen lassen, sondern seine Meinung offen in der Bekennenden Kirche sowie als Leiter ihrer illegalen Hochschule vertreten hat. Mehrmals war er inhaftiert. Doch seine Gemeinde, die er von 1932 bis 1946 betreut hat, wollte keinen anderen Pfarrer. Er erfasste Kirchen- und Dobbrikowlieder. "Ein Lied ist unsere Hymne und wird bei Dorf- und Feuerwehrfesten gern gesungen", sagt Britta Schulze vom Gemeindekirchenrat.
Bei Ehrungen wird auch gesungen, beispielsweise als 1977 Pfarrer Heinz Gießel - er war von 1969 bis 1980 in Dobbrikow - die wachsamen Genossen der Kreisleitungen überlistet hatte. Die Kleingeister wollten Vogel, Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Vaterländischen Verdienstordens der DDR, nicht einmal eine Geburtstagsfeier in einer öffentlichen Gaststätte zubilligen. Der 75-jährige wurde in der Kirche gebührend geehrt. Mehrere Pfarrer der Umgebung lernten den aufrichtigen Mann kennen. An ihn wird ab 2020 im alten Pfarrhaus erinnert.
Überhaupt ist die Pfarrer-Galerie in der Dorfkirche sehr informativ, sogar die Namen der letzten katholischen Pfarrer Anfang des 16. Jahrhunderts sind überliefert. Auch aus Dobbrikow kamen Pfarrer wie Johann Friedrich Ulrici, 1673 geboren "und von seinen lieben Eltern in aller Gottesfurcht erzogen". Er wirkte im Dorf Zinna (heute Neuheim) und hat dort ein imposantes Grabmahl in der Kirche.
Zu der Zeit befand sich der Eingang zur Kirche Dobbrikow noch im Süden, der sorgsam mit Feldsteinen verschlossen worden ist. Nicht gleich, als der westliche Fachwerk-Dachturm um 1700 dem Haus aufgesetzt wurde, sondern erst, als 1860 die neugotische Bachsteinvorhalle im Westen samt Turmeingang gebaut und größere Fenster eingesetzt wurden. 1889 erfolgten die Ost-Erweiterung und der Sakristei-Anbau im Süden. Die mächtigen Windfangmauern gehören vermutlich zur alten Burg und das Fundament der Sakristei sogar zur Kapelle.
Im Turm hängen zwei Glocken aus Bronze, eine von 1948, die andere von 1613. Am 5.Juli 1889 erfolgte die festliche Neueinweihung der umfangreichen Aus- und Anbauten im neogotischen Stil. Damals gab es noch eine strenge Sitzordnung. "Die rechten Kirchenbänke waren den Dobbrikowern und die linken den Nettgendorfern vorbehalten", berichtet Britta Schulze. Entsprechend war die Zuständigkeit für die Pflege der Kirchhofmauern, bis im Jahr 1863 ein neuer Friedhof angelegt wurde.
Die große weiße Fläche über dem Kircheneingang böte Platz für einen Bibelspruch. "Sprüche gab es früher in der Kirche, drei sind noch zu erkennen, vier waren es", sagt Schulze und zeigt ein altes Foto. "Seelig sind die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden", ist neben dem Altar zu lesen. Sicher erfolgte die Übermalung im Jahr 1964 bei der Renovierung, als die moderne Decke eingezogen wurde. Sie bildet in ihrer Schlichtheit einen starken Kontrast zum Altar von 1648. Die Bleiverglasung erfolgte erst 1951. Erst im Jahr 1956 wurde unter Pfarrer Heinemann-Grüder der Turm in seiner jetzigen Erscheinung wiederhergestellt. Panzerfahrer hat ihn in den letzten Kriegstagen beschossen. In der Zeit wurde auch die Sandsteintaufe angeschafft und die Orgel repariert, die Hoforgelbauer Eifert 1895 aus Stadtilm geliefert hatte. Bis etwa 1970 war sie spielbar. Für ihre Restaurierung wurde gleich nach der Wende gesammelt. Seit August 1994 verschönt ihr Klang den Gottesdienst wieder.
Text und Foto: Gertraud Behrendt, veröffentlicht in der MAZ am 22.10.2019