Auf Leben und Tod am 1.Mai 1945

Während die junge Bäuerin Eleonore in der Dobbrikower Weinbergstraße die Niederkunft ihrer ersten Tochter erwartet, vollziehen sich in den frühen Morgenstunden des 1. Mai 1945 dramatische Ereignisse.

Obersturmführer Bärmann berichtet: "...wir fahren durch Hennickendorf, wo ein paar Häuser brennen. Nach einigen hundert Metern kommen wir an eine Straßensperre am Pfefferfließ. Karl Hörl fährt mit der Sturmhaubitze links am Waldrand in Stellung. Hier haben wir einen guten Überblick. Vor uns - beiderseits des Fließes - liegt eine morastige Wiese und in etwa 1.500 Meter Entfernung ein Hügel mit einigen Gebäuden und der Mühle von Dobbrikow. Und dazwischen russische Panzer und Pak und rechts von der Mühle Stalinorgeln. Neben uns befindet sich noch in der vordersten Spitze ein 'Königstiger' und ein Achtrad-Spähwagen der SS-Pz.Aufkl.Abtl.10. Etwa 15 Männer unserer Abteilung gehen über die Wiese auf Dobbrikow vor. Der Anfang ist gemacht. Von überall ergießt sich nun ein Strom von Soldaten und Zivilisten - es sind Tausende - über das Pfefferfließ in Richtung Dobbrikow. Vom Mühlenhügel bei Dobbrikow feuern die Russen aus allen Rohren. Unsere Sturmhaubitze, 'Tiger' und Spähwagen erwidern das Feuer. Als Munition und Raketenstapel bei der Mühle explodieren, läßt das Feindfeuer nach. Jetzt ziehen sich auch die russischen Panzer zurück."

Als im Keller in der Weinbergstraße die Geburtswehen einsetzen, stellen die Russen einen Soldaten ab, der den Hof vor Eindringlingen zu beschützen hat.

Hauptscharfführer Streng notiert: "Unser 'Tiger' rollt auf der Straße Hennickendorf - Dobbrikow. Auf halben Wege bekommen wir von rechts aus einer Waldspitze Artilleriefeuer. Stehen da auch Pak? Genaues ist nicht auszumachen. Plötzlich erschüttert ein schwerer Treffer unseren 'Tiger'; klirrend fallen die Kettenabdeckbleche auf die Straße. Unsere Panzerkanone brüllt gegen den Wald. Bis dort sind es 300 bis 400 Meter. Drüben schleudern grelle Explosionsblitze Stämme und Baumwipfel auseinander. Blitzartig erhellt ein zweiter Treffer das Innere unseres Kampfwagens. Mit ungeheurer Wucht prallt eine Granate gegen die rechte Wannenseite und steigt steil nach oben. Dann folgt ein weiterer furchtbarer Knall. Wir krallen die Hände irgendwo fest und pressen die Zähne zusammen. 'Treffer auf der rechten Turmseite - Fahrer hart links anziehen - Vollgas, marsch, marsch!' schreie ich über Bordfunk. Unser Panzer bäumt sich auf und rollt nach links in abfallendes Feld, einem kleinen See zu. Nach einigen hundert Metern fahren wir wieder nach rechts. Inzwischen haben die anderen Panzer die russische Pak niedergekämpft und der Marsch von Tausenden geht weiter. Unser Treibstoff ist alle. Irgendwo ergattern wir Benzin und rollen wieder. Beim Einsteigen erhält unser Kampfwagen von halblinks über dem See einen Treffer, von einem dort stehenden russischen Panzer, den wir nicht gesehen haben. Ich werde am rechten Oberarm und am rechten Oberschenkel verwundet. Man legt mich in den Panzer, den nun Läbe führt. Wenige Kilometer weiter stehen die Spitzen der Armee Wenck, doch hier bei Wittbrietzen - Rieben - Zauchwitz scheint der russische Sperrriegel unüberwindbar."

Der Kommandeur der Aufklärungs-Abt. der Panzergrenadierdivision "Kurmark" Major Otto-Christer Graf von Albedyll (geb. 20.03.1915 in Clessin bei Frankfurt/O.) ist am 1. Mai 1945 vor Dobbrikow gefallen, als er seinem verwundeten Adjutanten Leutnant Wiebe, zu Hilfe eilt. Seine Kameraden bereiteten ihm am Wegrand sein Grab.

Derweilen brach sich in der Dobbrikower Weinbergstraße neues Leben Bahn: klein Hannelore erblickte das Licht der Welt und wurde als Friedensengel empfangen; während ihr Vater Willi aus russischer Kriegsgefangenschaft entkam, nachdem er verwundet und als Einziger den Abschuss seines 'Tigers' in der Schlacht um die Seelower Höhen überlebte.

Quellen:

TIEKE: Das Ende zwischen Oder und Elbe - Der Kampf um Berlin 1945.

Erzählung der Familien Spahn und Grahl aus Dobbrikow